Stimmen – old

Ein ganz normaler Vormittag in der Lernwerkstatt

miterlebt und aufgeschrieben von einem Lernwerkstatt Vater.

Montagmorgen in der Lernwerkstatt.  Noch liegt die Stille des Wochenendes über dem Wasserschloss.

Nichts regt sich. Auf dem breiten Wassergraben, der das Schloss umgibt, treiben verschlafen 2 Schwäne in den ersten Sonnenstrahlen. Sieben Uhr dreißig. Florian, einer der Begleiter, kommt den Weg durch den Park entlang zum Schloss, öffnet das Eingangstor und macht sich fertig, um die ersten Kinder zu empfangen. Langsam treffen die ersten SchülerInnen ein, auf dem Rad oder zu Fuß. Weitere BegleiterInnenen kommen und werden begrüßt. Das Schloss füllt sich mit Leben.

In Gruppen  erscheinen jetzt die Kinder und Jugendliche,  ausgespuckt aus Bussen, die aus den verschiedensten Richtungen eintreffen. Das Haupteinzugsgebiet der Schule reicht von Wien oder Neulengbach im Osten, bis Melk im Westen oder Krems im Norden. Auch sie werden von den BegleiterInnen empfangen. Nachdem sie in der Garderobe ihre  Sachen abgelegt haben, verteilen sie sich im Haus, um sich um 9:00 im Festsaal wieder zusammenzufinden. Denn jeden Montag ist Schulversammlung. Hier kommen die SchülerInnen und BegleiterInnen der Lernwerkstatt zusammen, um über die kommende Woche zu sprechen und sich zu informieren, welche Angebote geplant sind und wie man sich für diese anmelden kann.  Thematisiert werden auch Projekte von SchülerInnen,  die  zum Beispiel noch Unterstützung brauchen, oder aber auch Konflikte, die ausgesprochen und verarbeitet werden müssen, sowie alle Themen, die von allgemeinem Interesse sind. Nach der Schulversammlung, die meist rund eine Stunde dauert, verteilen sich die SchülerInnen in Windeseile im Schloss, um in den jeweiligen Bereichen ihren Projekten und Tätigkeiten nachzugehen. Eine große Gruppe saust sofort vom dritten Stock hinunter und aus dem Gebäude hinaus in den Außenbereich, wo sie sich intensiv mit jenen Projekten beschäftigen, die sie über’s Wochenende liegen lassen mussten.

Einige bauen Hütten, andere spielen Ball, klettern auf Bäume oder schmieden. Bei den ersten Schmiedekontakten ist das Anheizen der Esse und das Ausmachen, wer was zu welcher Zeit macht, schon genug Herausforderung. Meistens arbeiten 3 Kinder gleichzeitig in der Schmiede. Das erste Kind betätigt den Blasebalg, ein anderes hält das glühende Eisen mit der Zange, während das dritte das heiße Eisen bearbeitet. Danach wechseln die Kinder die Positionen. Nach einigen Versuchen gelingt es immer besser, den Ablauf zu koordinieren und schon entstehen die ersten Kunstwerke und Gegenstände.

Aber auch die anderen Bereiche füllen sich mit Leben. Im Weltbereich wird eine Ausstellung über  das Universum und unser Sonnensystem mit seinen Planeten geplant und aufgebaut, während im Schreibbereich die Schreibgruppe  mit Begleiterin Ilse ihre Arbeit aufnimmt. Nebenan, im  Mathebereich hält Begleiter Theo die Stellung und gibt die Grundlagen der „ Matheomatik“ an eine Schülergruppe weiter, die sich gerade mit einer Menge an Material zu schaffen macht. Hier gibt es Schnüre und Legebretter, Kugeln und Modelle, die von den SchülerInnen genutzt werden, um  Mathematik haptisch zu erfahren.

Im Stiegenhaus sind jetzt vor allem Kinder anzutreffen, die noch keine Tätigkeit für sich gefunden haben und von einem Bereich zum nächsten schauen, um sich inspirieren zu lassen. Langsam werden sie von BegleiterInnen angesprochen, die die Kinder dabei unterstützen, ihren Bedürfnissen entsprechende Tätigkeiten zu finden.

Währenddessen wird der Festsaal zur Probebühne umfunktioniert. Schließlich rückt die Premiere des neuen Stückes der Theatergruppe “Pistaschios“  schon in greifbare Nähe.  Die Bühnenfassung von „Pünktchen und Anton“ wurde von den SchülerInnen selber verfasst und wird gemeinsam mit Unterstützung eines Begleiters – Norbert – erarbeitet.  Auch die Kostüme, das Bühnenbild und die Technik werden dabei weitgehend von den Pistaschios selber geplant.

Ebenfalls im dritten Stock, gleich neben dem Festsaal, befinden sich die Räume der Sekundaria.  Hier dürfen die „Kleinen“ nicht hin.  Off limits! Nur über 12 Jährigen ist es erlaubt, diese Räume zu betreten.  Und so können die Jugendlichen ungestört ihren Tätigkeiten und Projekten nachgehen.  In einem „Sit-in“ wird jetzt über Ziel und Organisation der diesjährigen Sekundariareise diskutiert.

Inzwischen sieht man schon überall Kinder mit Jausenboxen herumziehen. Sie gehen zum Essen in eine der Küchen oder picknicken in Gruppen im Außenbereich.  Am späteren Vormittag gibt es noch zwei Angebote: Einen Trommelworkshop im Musikbereich und einen für Modellbau in der Werkstatt, bei dem die Lernwerkstatt-SchülerInnen Flugzeuge entwerfen und selber bauen.

Auf einmal erschallt der Klang einer Posaune durch das Schloss.  „Posaune“ heißt in der Lernwerkstatt: Es ist zwölf Uhr und der Schulvormittag nähert sich seinem Ende. Die Projekte sind für diesen Tag zu beenden und die Materialien aufzuräumen. Die SchülerInnen versammeln sich nach und nach unten vor dem Gebäude, um den Nachhauseweg anzutreten.  Die Kinder und Jugendlichen werden zu ihren Bussen begleitet.  Der Außenbereich leert sich. In der Schule verbleiben die Jugendlichen der Sekundaria, die an diesem Nachmittag ein Chemieangebot von Begleiterin Ulli in Anspruch nehmen, und die Gruppe der Nachmittagsbetreuung, die sich hungrig auf den Weg in die Küche macht, wo das Essen schon auf sie wartet.

16.00.  Auch wenn der letzte Schüler, die letzte Schülerin, die Lernwerkstatt verlassen hat,  kehrt meist keine Ruhe im Wasserschloss ein. Am Abend wird das Schloss für Elternabende und Veranstaltungen genutzt. Oft  dauert es bis tief in den Abend hinein, bis das Tor zum Schloss wieder verschlossen wird.

Erst dann können die Schwäne bis zum nächsten Morgen wieder in aller Ruhe am Wasser treiben.